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Geschichte der Buchstabenschrift
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Dieser Vorschlag zu einer alternativen Schreibung Deutc braucht keine wissenschaftliche Begründung oder Begleitung. Aber zu einer groben Orientierung mag eine kurze, unwissenschaftliche Darstellung der Ursprünge und der historischen Entwicklung von Schrift und Schreibung hilfreich sein.

Wo immer Schrift entstand, in China, Mesopotamien, Ägypten oder Mexiko, handelte es sich um eine Bilderschrift ohne Bindung an die Phonetik einer Sprache. Aber regelmäßig wurden bald auch Silben und Buchstaben durch bestimmte Zeichen abgebildet. So konnten die alten Ägypter schon vor 5000 Jahren jedes Wort ihrer Sprache mit einem Alphabet von etwa 27 Zeichen schreiben; trotzdem blieben sie ihrer Hieroglyphenschrift treu, die Hunderte von weiteren Zeichen brauchte und deshalb wohl nur von sehr wenigen beherrscht wurde. In Mesopotamien war die Entwicklung der Keilschrift im Prinzip ähnlich, durch die Überlagerung sehr unterschiedlicher Sprachen und Kulturen aber weitaus komplizierter.

    












    
Die ersten Buchstabenschriften, in denen mit einem Zeichensatz von etwa 22 Zeichen eine Sprache phonetisch, allerdings ohne Vokale, abgebildet wurde, entstanden vor rund 3000 Jahren am östlichen Rand des Mittelmeeres. Die Buchstabenzeichen aus Ugarit im heutigen Syrien stammen aus der Keilschrift, die phönizischen Schriftzeichen, das Alphabet, ähneln den Hieroglyphen. Nach diesen Vorbildern entstanden weitere Buchstabenschriften, deren Zeichen teils übernommen, teils verändert, teils neu erfunden wurden: im Osten die altpersischen Buchstaben aus Keilschriftzeichen, aus denen sich die indischen Schriften entwickelten; im Norden Runenalphabete, die sich bis nach Sibirien und Island ausbreiteten; im Süden die hebräische und die arabische Schrift; im Westen das griechische Alphabet, aus dem dann das lateinische Alphabet hervorging. So erwies sich das Prinzip der Buchstabenschrift, mit einem Satz von weniger als dreißig Buchstaben jeden Laut einer Sprache immer durch dasselbe Zeichen abzubilden, als überaus anpassungsfähig und machte die Schrift zu einem hervorragenden Mittel der Kommunikation.

    










    
Weil Vokale in semitischen Sprachen von geringerer Bedeutung waren und im phönizischen Alphabet nicht vorkamen, schufen die Griechen für ihre Sprache sechs Vokalzeichen, indem sie sechs Zeichen aus dem phönizischen Alphabet, die sie nicht brauchten, neu definierten. Zusätzlich erfanden sie den Vokalbuchstaben Ω(Omega) und hängten ihn ans Ende ihres Alphabets. Mit diesem Zeichensatz konnten die Griechen alle Dialekte ihrer Sprache lauttreu schreiben. Als 2000 Jahre später griechische Mönche den Bulgaren das Christentum brachten, schufen sie mit dem kyrillischen Alphabet eine lauttreue Schrift für slawischen Sprachen. Für Laute, die es im Griechischen nicht gab, zeichneten sie neue Buchstaben und griechische Buchstaben für Laute, die im Bulgarischen nicht vorkamen, wurden nicht übernommen. Fremdworte aus dem Griechischen wurden so geschrieben, wie die Bulgaren sie aussprachen, und so wird auch heute Theater im Russischen ohne h und Physik mit (dem kyrillischen) f geschrieben.

    
















    
Als das lateinische Alphabet entstand, kannte man im westlichen Mittelmeer drei Schriftsysteme - das etruskische, das phönizische und das griechische - und aus jedem dieser Alphabete übernahmen die Römer einen Buchstaben für den [k]-Laut: aus dem etruskischen das C, aus dem phönizischen das Q, aus dem griechischen das K. Schließlich hatten sie auch noch eine Verwendung für das griechische Χ (Chi), das sie nicht sprechen konnten, und machten daraus das völlig überflüssige X (Iks), den vierten Buchstaben für einen [k]-Laut. Aus dem Y (Ypsilon) der Griechen machten sie den fehlenden Vokal U, geschrieben V, und sprachen es auch mal so, mal so. Als die Römer dann Fremdworte aus dem Griechischen übernahmen, wurde das Y ein zweites Mal eingeführt und die aspirierten Konsonanten Θ, Ρ, Φ und Χ (Theta, Rho, Phi und Chi) wurden sorgfältig durch besondere Schreibweisen gekennzeichnet, obwohl das griechische Ῥ oder Φ sich in der Aussprache kaum vom lateinischen R oder F unterschied. Umgekehrt hatten die Griechen keine Bedenken, das R oder F in lateinischen Fremdworten in ihrer eigenen Schreibweise wiederzugeben (Roma > Ῥώμη, forum > φόρον). Während die Griechen selbstbewusst das vorhandene Material verwendet und für ihre Zwecke umgestalteten, waren die Römer - wohl aus einem Gefühl kultureller Unterlegenheit - sehr darauf bedacht, Konventionen zu bewahren, auch wenn sie dabei gegen das Grundprinzip der Buchstabenschrift verstießen.

    











    
Nach der Christianisierung schrieben die westgermanischen Stämme ihre eigenen Sprachen mit dem lateinischen Alphabet und stellten Laute, die im Latein unbekannt waren, durch Buchstabenkombinationen dar (z. B. dh oder uu). Nach der Lautverschiebung um die Mitte des elften Jahrhunderts, bei der die heutigen Konsonanten gebildet wurden, entstand neben den ober- und mitteldeutschen Mundarten eine hochdeutsche Schriftsprache, die wohl einheitlich gesprochen wurde. Einheitlich war auch die Aussprache der Buchstaben und Buchstabenkombinationen, aber einige Laute konnten durch verschiedene Buchstaben wiedergegeben werden. Der [f]-Laut wurde ohne erkennbaren Grund mal als f, mal als v geschrieben, [ç] als h oder als ch, [ʃ] als sc, sch oder ssh und für die beiden Laute [s] und [z] gab es in der üblichen Frakturschrift drei Zeichen. Wenn es nötig schien, einen langen Vokal zu kennzeichnen, wurde ein Dach ^ als Akzent gesetzt. Insgesamt entsprachen Schreibung und Lautung einander erheblich besser als später im Neuhochdeutschen.

     Das Grundprinzip der Buchstabenschrift wird in modernen Sprachen vielfältig verletzt. Im Englischen bleiben alte Schreibweisen lange erhalten; so kann man von den sechs Buchstaben des Wortes knight gerade noch zwei in der Aussprache erkennen. Im Französischen bewahrt die Schrift eine ältere Grammatik, die es in der Sprache schon lange nicht mehr gibt (ils pensent). Solche Beispiele zeigen, wie zwischen Sprache und Schrift eine Kluft entsteht, wenn die Schrift nicht oder nur ungenügend der Sprachentwicklung folgt. Italienisch und Spanisch sind dagegen Beispiele für eine gute Übereinstimmung von Sprache und Schrift. Durch allgemeine Regeln ist sowohl die Aussprache für jedes geschriebene Wort als auch die Schreibung für jedes gesprochene Wort eindeutig bestimmt. Gerade Wortschreibungen wie spaghetti oder guerra, die uns eigenartig erscheinen mögen, zeigen den Willen, die Übereinstimmung zwischen Sprache und Schrift zu bewahren. Deutsch steht mit der Rechtschreibung zwischen den Extremen: eine Rede kann nicht ohne die Kenntnis vieler spezieller Wortschreibungen mitgeschrieben werden, ein geschriebener Text kann aber durchaus ohne diese Kenntnis nur nach allgemeinen Regeln gelesen und vorgetragen werden. Im Englischen dagegen ist beides nicht möglich.
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